Je suis Nazi
In Polen wurden gestern wieder mal Deutsche verprügelt, weil sie Deutsch geredet haben. Furchtbar und fragwürdig. Was kommt als nächstes? Wo bleibt der Aufschrei? Gibt es bald Tote? Wo bleibt die öffentliche Solidarität mit den Opfern? Und vor allem: Warum gibt es in Deutschland keine Nazis mehr, die Polen verprügeln? Warum fährt keiner bei seinem nächsten Besuch vom Polenmarkt mal kurz weiter rein und rächt sich? Sind die jetzt alle in der Politik und trollen herum? Lassen die sich etwa an der Heimatfront von den Moslems ablenken?
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Totaler Quatsch natürlich. Die sind nicht (alle) in der Politik. Und auch nicht (alle) im Untergrund oder reichsbürgerlichen Traumwelten versunken. Sie sind immer noch da. Aber etwas hat sich verändert: Polen sind kein Feindbild mehr für sie. Und das liegt daran, dass die Regierung in Warschau es zugelassen hat, eine Bewegung salonfähig zu machen, die so nationalistisch, martialisch und faschistoid daherkommt, dass unser völkischer Mitbürger vor Neid erblasst. Wie gerne würde er gegendemofrei mit Fackeln, Flaggen und keltischen Kreuzen von Berlin nach Walhalla ziehen. Mmmm. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als Respekt, Anerkennung und ja so etwas wie Nähe zu empfinden. Doch da irrt er sich, der gemeine Germane. Deutsche werden in Warschau verprügelt. Einfach so, weil sie Deutsch reden. Keine Spur von Gegenliebe.
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Gegenliebe. Vielleicht beschreibt das Wort die Pathologie des Gesinnungszustandes der prügelnden Polska Patrioten am besten. Gegen Deutsche und gegen die EU (Ist ja fast das gleiche). Gegen Juden und gegen den Islam (Ist ja auch fast das gleiche). Man liebt es einfach, dagegen zu sein. Und das nicht erst, seit dem die PiS-Partei an der Macht ist. Oder seit der sogenannten Flüchtlingskrise. Nein, in Polen konnte es schon ab 1990 gefährlich sein, Deutsch zu reden. Oder deutsch zu tanzen (1997, eine Krakauer Disco, ein blaues Auge). Oder deutsch zu jubeln (WM 2006, Publicviewing, Tor von Neuville). Das habe ich schmerzlich erfahren müssen.
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Verzwickte Sache das mit den Nachbarn rechts von uns. Wenn sie Deutsch hören, denken sie nun mal sofort an Reparationszahlungen in Billionenhöhe oder an Angela Merkel in SS-Uniform. DNA sticht IQ. Sie ballen die Fäuste und... vergessen, dass sie auch ganz gerne SS-Uniformen tragen. Oder ab und zu riesige Hakenkreuze a la KKK (und nicht AK) im Wald verbrennen. Und Hitler nicht nur schlecht finden (Er hat ja Österreichisch geredet, oder?) Hm... Was würde ein polnischer Prügel Patriot eigentlich tun, wenn er einen deutschen Nazi in Polen Deutsch reden hört? Würde er vergessen, dass er ihn verprügeln muss? Oder gegen das Vergessen handeln, und ihn umso mehr verprügeln? Ich sage letzteres. Warum? Weil er ihn kurz daran erinnert, dass er so ist wie er selbst. Je suis Nazi.
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Moinski | Foto: Screenshot (c) Wyborcza.pl | 30. Mai 2018
Link: http://warszawa.wyborcza.pl/warszawa/7,54420,23472197,kolejny-taki-atak-w-warszawie-napadli-na-niemcow-i-austriaka.html
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